Hallo meine lieben Leserlies,
heute an Tag 9 und dem somit vorletzten Tag unserer "FISCHER TOR Vorstellungstour", haben wir ein wie ich finde sehr informatives und absolut sympathisches Interview für euch.
Melanie Wylutzki ist Volontärin bei FISCHER Tor, sie hilft den dort beschäftigten Lektoren und lektoriert auch selbst.
Lehnt euch gemütlich zurück und genießt ihre tollen Antworten:
1)
Wie muss
ein eingesandtes Manuskript aussehen, damit es jemand ansieht/liest?
Das ist eine gute Frage. Im Alltag prüfen
wir hauptsächlich Manuskripte, die uns von Literaturagenturen vorgestellt
werden. Diese sind meist so aufbereitet, dass man ein Exposé erhält. Darin
enthalten sind ein Kurzinhalt, eine grobe Einordnung in den Markt, Vergleichstitel,
häufig auch eine kurze Figurenbeschreibung der Protagonisten und eine
ausführlichere Zusammenfassung. Dazu gibt es dann meistens eine Leseprobe oder
das Manuskript.
Ich würde jedem/r Autor/in raten, das
ebenso zu handhaben und den Roman vorher testlesen und korrigieren zu lassen. Auch
wenn das nicht immer das Maß aller Dinge ist (Ideen können auch überzeugen), neigt
man als Lektor doch dazu, Manuskripte schneller wegzulegen, wenn man merkt,
dass vom Autor auf grundsätzliche Aspekte wie Rechtschreibung, aber eben auch
Logik, Stringenz oder Figurenkonzeption offenbar nicht so viel Wert gelegt
wurde.
2) Wie sieht die Zusammenarbeit mit Autoren in
der Regel aus bzw. wie läuft diese ab?
Das hängt natürlich vom Autor und Projekt
ab. Mit den Autoren von Romanen, die wir übersetzen lassen, haben wir eher
wenig direkten Kontakt bzw. beschränkt sich der hauptsächlich darauf, dass man
Autorenfotos und anderes Marketingmaterial organisiert. Mit unseren deutschsprachigen Autoren
stehen wir, vor allem während der Textarbeit, in recht engem Kontakt und
tauschen uns regelmäßig aus. Sobald wir das Manuskript vorliegen haben, machen
wir uns an die Textarbeit und spielen anschließend unsere Anregungen und
Änderungswünsche an die Autoren zurück und warten dann gespannt, was sie davon
halten.
3) Welche Freiheiten hat der/die Lektor/in?
Gerade bei deutschsprachigen Autoren
verschwimmen die "Freiheiten" ein wenig. Da wir die meiste Zeit über
mit unseren Autoren im Gespräch sind, klären wir direkt mit ihnen, mit welchen
Änderungen an ihrem Werk sie einverstanden sind und mit welchen eher nicht.
4) Wie nah müssen Übersetzungen am Original
bleiben? Ist es erlaubt, auch mal etwas wegzulassen oder zu ergänzen?
Wortgetreu ist im Prinzip keine Übersetzung. Wichtig
ist, dass der Sinn beibehalten wird. Aber vieles funktioniert wortwörtlich
einfach nicht. Es gibt viele Begriffe im Englischen (und natürlich auch in anderen Sprachen), die
im Deutschen kein entsprechendes Pendant haben – natürlich ist man da frei. Oft
gibt es auch Texte, die sehr spezielle, z.B. amerikanische Elemente enthalten
oder gewisse Kontexte aufgreifen, die für den deutschen Leser aufgrund des
kulturellen Hintergrunds nicht so richtig verständlich sind. An solchen Stellen
ist es schon wichtig, kritisch draufzuschauen und sich die Freiheit zu nehmen,
entweder Informationen zu ergänzen, sie durch ähnliche dem Leser vertrautere
Szenen zu ersetzen, oder sie auch zu streichen. Natürlich sollte man nicht
übertreiben und der Text sollte definitiv wiedererkennbar bleiben – aber eine
gute Übersetzung zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie eben nicht am Text
klebt, sondern ihn frei, aber die Stimmung und den Sprachgebrauch beibehaltend,
in die neue Sprache und Kultur überträgt. Aufgabe des Lektors ist dies sicherzustellen.
5)
Wie lange benötigt man zum Lektorieren eines Buches?
Das kann man gar nicht so genau sagen und hängt stark davon ab, welchen
Umfang es hat, ob es eine Übersetzung oder eine Originalveröffentlichung ist,
wie der Autor bzw. der Übersetzer arbeiten, wie viel sonst noch so auf meinem
Schreibtisch liegt (denn nein – Lektoren lesen nicht den ganzen Tag nur
Manuskripte. Da gibt's noch jede Menge andere Dinge zu tun). Grundsätzlich versuchen
wir so zu planen, dass wir mindestens zwei Monate Zeit haben, bevor ein Text in
die Herstellung weitergegeben wird.
6)
Welche Voraussetzungen muss man haben, um diesen Beruf erlernen zu können?
Eine schwierige Frage, die ich so konkret gar nicht beantworten kann. Auf
jeden Fall sollte man Sprachgefühl und ein gewisses Maß an Sicherheit in
Orthografie etc. mitbringen. Natürlich ist es wichtig, dass man Bücher mag,
gerne liest – denn je mehr man gelesen hat, desto besser kennt man ja im Prinzip
den Buchmarkt, kann einschätzen, welche Projekte funktionieren können, welche
die potenziellen Leser eher ablehnen würden, aber auch, welches Genre welche
Besonderheiten bzw. Charakteristika hat.
Was die vorherige Ausbildung angeht, denke ich, ist ein
literaturwissenschaftliches (oder auch geisteswissenschaftliches) Studium ganz
hilfreich, aber wenn man sich bei Kollegen umhört, berichten sie von den
buntesten Werdegängen – darauf würde ich mich also wirklich nicht festnageln
lassen wollen.
7)
Bearbeiten Sie nur Bücher aus Genres, die Sie auch selbst lesen?
Nein, keineswegs. Natürlich habe ich das Glück, dass ich bei FISCHER Tor
jetzt zwei Genres bearbeiten darf, die mir ganz gut liegen und aus deren Reihen
ich auch privat immer wieder eins aus dem Bücherregal ziehe. Aber auch hier
gibt es Subgenres, die mich nicht so packen. In meinem Falle wären das zum
Beispiel die härtere Science Fiction oder auch die Völkerromane. Aber gerade
als Arbeitsinhalt finde ich es gar nicht so uninteressant, genau diese Romane
auf dem Schreibtisch zu haben und zu bearbeiten: Man lernt Neues kennen (und in
manchen Fällen auch lieben), man wächst mit seiner Aufgabe und hat vor allem
noch Lust, in der Freizeit wieder zu den Genres, die man gerne mag, zu greifen.
8)
Was ist Ihr wichtigster Tipp für angehende Autoren?
Sie sollten das Schreiben üben, sich das Handwerkszeug aneignen. Dazu gibt
es viele tolle Workshops und Schreibwerkstätten oder auch Angebote wie www.scriptdoktor.com,
wo man professionelle Gutachten, Lektorate, Korrektorate aber auch Hilfe bei
der Konzeption bekommen kann. Anders als viele denken, schüttelt man sich einen
Roman nicht einfach aus dem Ärmel. Es bedeutet viel harte Arbeit, Schweiß, Tränen
und trockene Recherche – und das gilt auch für Fantasy-Romane, denn sie
funktionieren einfach nicht, wenn die Anderswelt nicht gut durchdacht ist. Mir
fällt immer wieder auf, dass Autoren, die gerade anfangen zu schreiben, das
nicht ernst nehmen, glauben, Fantasy sei ein eher "leichter" Stoff
und man könne einfach drauflosschreiben – schließlich beschreibt man ja nicht
die Realität. Aber so einfach ist es nicht. Es ist immer gut, zweite oder
dritte Meinungen einzuholen und das, was man geschrieben hat, noch einmal
kritisch und mit etwas Abstand zu betrachten. Man merkt Texten häufig an, wenn
sie relativ schnell heruntergeschrieben wurden, und das ist schade.
9)
Was erwarten Sie allgemein von Autoren? Was müssen diese “liefern”?
Liefern sollten Sie gute Romane natürlich! ;) Aber ehrlich, was soll ich
sagen? Gerade bei den Autoren, mit denen wir direkt zusammenarbeiten, hoffen
wir immer darauf, dass sie kooperativ sind, sich unsere Ratschläge anhören und
bestenfalls darauf eingehen, und die Zusammenarbeit einfach reibungslos und
nach Zeitplan verläuft. Denn auch wenn die Buchbranche sehr langsam ist, gibt
es doch relativ viele Deadlines, die eingehalten werden müssen.
10)
Welchen Autor würden Sie gerne verlegen?
Wir haben schon so ein paar Schätze unter unseren Autoren, und es kommen ja
immer neue dazu. Ich bin mit unserer Wahl ganz glücklich, und darunter ist auch
der eine oder andere, wo ich noch vor einem Jahr dachte – oh ja, mit der/dem
möchte ich unbedingt was machen. Allerdings darf ich noch nicht so viel
verraten.
11)
Was ist das Schönste und im Gegenzug auch Anstrengendste in Ihrem Beruf?
Die Vielseitigkeit. Wie schon angedeutet, liest man ja nicht den ganzen Tag an einem Manuskript
herum und korrigiert vor sich hin. Man pflegt Systeme, man hat Prüftitel, die
man liest, beurteilt, verwaltet; es gibt Vorschauen und Coverbriefings; jede
Menge Texte zu jedem Titel, die von uns Lektoren erstellt werden; es gibt die
Buchmessen in Frankfurt, Leipzig und London, die vor- und nachbereitet werden
wollen. Im Prinzip ist man einfach Projekt- bzw. Produktmanager. Da ist immer
viel zu tun, was schön ist, und Abwechslung bringt ja auch irgendwie
Kreativität. Aber manchmal ist es auch anstrengend, vor allem, wenn man dann
durch Termine und Bürokratie davon abgehalten wird, "die wirklich
wichtigen Dinge", wie eben das eigentliche Lektorat eines Titels,
abarbeiten zu können. Das kann einen dann doch auch ein wenig frustrieren und
nimmt die Motivation.
12)
Was macht für Sie ein wirklich gutes Buch aus?
Es muss mich fesseln, eine Art Sogwirkung entwickeln. Das kann auf ganz
verschiedene Arten geschehen, aber ich glaube, besonders wichtig ist, dass die
Figuren mich irgendwie anfixen – egal ob sie "gut" oder
"böse" sind, sie müssen irgendwie interessant sein und eine gewisse
Tiefe haben. Außerdem muss mich die Welt faszinieren, so dass ich darin
eintauchen oder mehr erfahren möchte.
13)
Wenn Sie den ganzen Tag mit Büchern zu tun haben, lesen Sie dann noch
selbst und
wenn ja, welche Bücher/Genres bevorzugen Sie?
Hin und wieder schaffe ich es auch, ein Buch privat in die Hand zu nehmen.
Auf ein Genre kann ich mich da gar nicht recht festlegen. Zu meinen Favoriten
zählt jedenfalls Terry Pratchett mit seinen Scheibenweltromanen – zum Glück
habe ich noch ein paar ungelesene im Bücherregal stehen, schließlich wird es ja
keine neuen mehr geben. Ansonsten lese ich sehr gerne Julian Barnes, Charles
Bukowski, Jostein Gaarder oder auch mal so etwas wie Marc-Uwe Klings
Känguru-Chroniken. Irgendwie querbeet also.
Nochmals vielen Dank liebe Melanie Wylutzki.
Morgen bekommt ihr auf unseren beiden Blogs nochmals alle Cover der
einzelnen Bücher zu sehen und erhaltet eine kleine Zusammenfassung. Außerdem
startet dann auch unser tolles Gewinnspiel.
Küsschen, Ally
Hi Ally,
AntwortenLöschenTotal interessanter Bericht, vielen Dank dafür!
Man denkt ja wirklich, Lektoren lesen den ganzen Tag...tja, offenbar Wunschdenken, auch der "Traumjob" ist eben doch auch ein Job mit Höhen und Tiefen, mit Freude aber auch Stress....schön, so aus erster Hand einen Einblick bekommen zu haben.
Liebe Grüße
Anja
Hi Anja :)
Löschenja finde ich auch, und sehr gerne!
Ich dachte zwar nicht, dass Lektoren nur lesen, aber was so alles noch dahinter steckt, konnte ich mir auch nur so ungefähr denken. Ich denke jeder Job hat seine tollen aber auch blöden Seiten.
Danke dir, liebe Grüße,
Ally
Huhu Allylein!
AntwortenLöschenEin sehr informatives Interview, danke dafür! Vieles wusste bzw. kannte ich schon vom Magellan Bloggertag, aber es ist interessant, nochmals die Perspektive von jemand anderem zu lesen :)
Besonders spannend fand ich die Frage dazu, wie nah die deutschen Texte an den Originaltexten sind :)
Drück dich
Laura
Huhu Lauralein,
LöschenSehr, sehr gerne! Ich fand es auch sehr informativ und aufschlussreich :) Und *lach* ja das glaube ich, zwei Sichten sind immer gut :). Ja stimmt, das ist wirklich spannend, macht aber so natürlich echt Sinn :)
Drück dich auch,
Ally
Huhu meine liebe Ally, <3
AntwortenLöschendas Interview war wirklich klasse. Spannend fand ich die Frage nach der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche. Aber auch die tägliche Arbeit eines Lektors hört sich spannend an. Irgendwie geht man ja doch erst immer davon aus, dass sie "nur" Manuskripte lesen ;-)
Liebe Grüße
Sandra
Huhu meine allerliebste Sandra <3
Löschendanke dir uns ja, die Antwort fand ich auch besonders spannend :) *Lach* dass die Lektoren "nur" lesen habe ich zwar nicht gedacht, wie viel mehr aber noch dahinter steckt, war mir in dem Ausmaß aber auch nicht bewusst.
Drück dich, Ally
Liebe Ally,
AntwortenLöschenein ganz ganz tolles und informatives Interview, das ich total gebannt gelesen habe. Eine tolle Idee von euch, euch mit einer Lektorin zu unterhalten. Danke für diesen tollen Beitrag!
Liebe Grüße
Anka
Huhu liebe Anka :)
LöschenDankeschön, es freut mich sehr, dass du das Interview so gebannt gelesen hast. Ich finde es auch super interessant.
Danke dir, drück dich <3