Mats ist schüchtern und spricht wenig und meist nur mit den Menschen denen sie vertraut. Ricci, die neu in ihrer Klasse ist hingegen sagt stets was sie denkt und vertritt ihre Meinung auch lautstark. Dennoch werden die Beiden Freundinnen, denn Ricci nimmt Mats so wie sie ist, was dieser definitiv gut tut. Doch Mats merkt, dass Ricci ihr etwas verheimlicht, was letztendlich zum Streit führt und die Freundschaft der Mädchen auf die Probe stellt.
Zunächst lernte ich die schüchterne und zurückhaltende Matea aka Mats kennen, die außer mit ihrer besten Freundin seit Kindheitstagen Charlotte und ihrer Familie, und somit mit Bruder Aaron und den Eltern kaum bis gar nicht mit anderen spricht. So kommuniziert sie beispielsweise auch mit ihren Lehrern nur via Email, ist im Unterricht aber dennoch sehr aufmerksam und insgesamt auch sehr gut in der Schule. In Mats steckt, so stellt sie sich dies zumindest vor, eine Tiefseekrake „Madame Schüchtern“, die auf ihrem Seelensofa sitzt und sie quasi am Sprechen hindert.
Als die temperamentvolle Ricci (Riccarda) die immer ausspricht, was sie denkt, neu in ihre Klasse kommt, ist Mats fasziniert. Die beiden unterschiedlichen Mädchen werden Freundinnen, denn Ricci nimmt Mats so wie sie ist. Dank dieser Tatsache, fällt es Mats tatsächlich bereits nach kürzester Zeit leicht, mit ihr zu sprechen, was definitiv etwas Besonderes ist.
Dennoch sind die Tage für die Mädchen nicht nur von Glück geprägt, denn Riccis Lebensumstände sind nicht einfach. Es gibt familiäre Probleme, sodass Mutter und Tochter vorübergehend woanders untergebracht sind, doch auch dort ist die Situation schwierig und Ricci oft überfordert. So löst Ricci ihre und auch die Dispute von Mats durch verbale und einmal auch durch eine körperliche „Attacke“. Dies sorgt natürlich ebenfalls für Ärger aber auch dafür, dass eine Lehrerin erfährt, wie fies sich vor allem eine Mitschülerin über Jahre hinweg gegenüber Mats verhalten hat.
Die Autorin verwebt hier ganz wunderbar zwei Zeitstränge miteinander. Der größere Teil spielt in der nahen Vergangenheit und erzählt somit, wie die Freundschaft der beiden Mädchen begann und was im Anschluss daran geschehen ist. Anne Becker wechselt zwischendurch aber auch in die Gegenwart. In dieser bekommen die Leser*innen „nur“ Sprachnachrichten von Mats an Ricci zu sehen, die von einem unschönen Ereignis, einem daraus resultierenden Streit und einem Vertrauensbruch handeln. Erst im Laufe der Geschichte erfuhr ich, was zu der angedeuteten Katastrophe geführt hat und wie es zu dieser kam. Das macht die Story spannend und interessant, weil man als Leser*in zunächst nur erahnt, was passiert ist. Mir tat Ricci unglaublich leid, da sie Situationen ausgesetzt ist, die kein Kind erleben sollte.
Umso wichtiger ist auch für Ricci die Freundschaft zu Mats, die ihr viel Halt gibt. Diesen erhält sie vor allem auch an den Tagen und Nächten, die das Mädchen im Haus von Mats Familie verbringt. Denn dort erlebt sie uneingeschränkte Fürsorge und Sicherheit. Die Mutter ist Pfarrerin und somit tatsächlich auch in die Geschehnisse involviert, sie tut alles, um zu helfen. Und auch Mats Papa und ihr Bruder sind wirklich toll, Mats wird sehr geliebt. Auch dies hilft ihr mutiger und selbstsicherer, auch im Hinblick auf ihre Kommunikation, zu werden. Hierzu trägt aber definitiv auch Riccis Art bei. Ricci, die zwar generell eine große Klappe hat, fällt es schwer über ihre Gefühle und über ihre aktuellen Umstände zu reden, auch bei Mats öffnet sie sich nur langsam. Dies liegt allerdings nicht am mangelnden Vertrauen, sondern eher daran, dass Ricci sich schämt. Sie tut auch etwas, dass definitiv nicht in Ordnung ist, doch als das warum offenbart wird, verstand ich das Mädchen und den Grund dafür. Auch das, geht definitiv zu Herzen.
Einen größeren Part in der Geschichte, nimmt auch das Häkeln ein. Die kürzlich verstorbene Frau Loose, ebenfalls eine Vertraute von Mats, brachte ihr diese Handwerkskunst bei, der sie sich viele Stunden täglich widmet. Doch sie bleibt damit nicht im Verborgenen, denn das Mädchen verschönert heimlich und somit meist, wenn es bereits dunkel ist, die Umgebung. Wie, zeigt auch das wunderschöne und herrliche passende Cover. Die Menschen erfreuen sich an Mats Kunst, was das Mädchen, besonders nach dem Verlust der älteren Frau, viel bedeutet. Nach einiger Zeit erfährt Ricci davon und unterstützt Mats tatkräftig. So gibt es noch etwas, dass die beiden Mädchen verbindet. Auch Aaron und zwei richtig nette Klassenkameraden, die sich im weiteren Verlauf auch als Freunde entpuppen werden Häkel-Komplizen.
Die komplette Story ist wunderbar einfühlsam und berührend erzählt, lässt aber tatsächlich auch Raum für Humor, der zwischen den Kindern, aber auch durch „Madame Schüchtern“ und deren „Aktionen“ wie zum Beispiel das Abfeuern einer Konfettikanone oder das Anzünden von Duftteelichtern, entsteht. Ich mochte Mats, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird unglaublich gerne. Dadurch, dass aus ihrer „Ich-Perspektive“ berichtet wird, durchlebt man als Leser*in ihre Emotionen hautnah, erfährt aber auch wie schlau und lebensfroh sie trotz ihres „Handicaps“ ist.
Im weiteren Verlauf rücken der Vergangenheits- und der Gegenwartsstrang immer mehr zueinander. Die Ereignisse dröseln sich auf, sprich man erfährt, was zur kurzfristigen Trennung der Mädchen geführt hat und wie diese wieder zueinander finden. Mats wächst hier auch buchstäblich über sich hinaus, denn sie präsentiert eine wunderbare Lösung, die Ricci und ihrer Mutter längerfristig hilft und Riccis Leben in ruhigere und glücklichere Bahnen lenkt.
Mir hat das Ende, ebenso wie das komplette Buch unglaublich gut gefallen, es berührt tief und hinterlässt Spuren, die bleiben.
Somit vergebe ich 5/5 Flügel für diesen schönen Einzelband!
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